"Mit PrEP übernehmen gesunde Menschen beim Sex mit Hiv-Infizierten die Kontrolle über ihren Schutz"
Für HIV-negative Menschen gibt es eine Pille, die gesunde Menschen beim Sex mit einem Hiv-Kranken nahezu zu 100 Prozent vor Aids beziehungsweise der Infektion mit dem Humanes Immundefizienz-Virus (HIV) schützt. Über die Vor- und Nachteile dieser sogenannte Pre-Expositions-Prophylaxe (PrEP) berichtet Hendrik Streeck (Foto unten) für die Partnerbörse PositiveDates. Streeck ist Direktor des Instituts für HIV-Forschung der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen am Universitätsklinikum Essen.
Hendrik Streeck
HIV-positive Menschen fühlen sich oft ausgegrenzt und stigmatisiert. Sogenanntes "Serosorting", wo HIV-Negative Sex mit HIV-Positiven verweigern, ist häufig üblich, obwohl bei der Benutzung von Kondomen und häufig auch bei der Einnahme von HIV-Medikamenten kein Grund dafür besteht. Doch: Die Angst vor HIV ist bei gesunden Menschen oft zu hoch.
Zudem gibt es eine Minderheit, die sich weigert, ein Kondom zu benutzen und lieber das Risiko auf sich nimmt, sich mit HIV zu infizieren. Wieder andere werden von ihrem Partner sogar gezwungen, auf Kondome zu verzichten, nehmen Geld für Sex ohne Kondom oder werden vergewaltigt. Eine dünne Schicht aus Latex wurde bisher als der ultimative Schutz angesehen, einen HIV-negativen Menschen vor der Immunschwächekrankheit zu schützen.
"PrEP ist eine Tablette, die aus den zwei HIV-Medikamenten Tenfovir-Disoproxil und Emtricitabin besteht"
Nun gibt es eine Pille, die ein HIV-Negativer einnehmen kann und die eine HIV Infektion zu fast 100 Prozent verhindert. Diese sogenannte Pre-Expositions-Prophylaxe (kurz: PrEP) ist eine Tablette (Truvada), bestehend aus den zwei HIV-Medikamenten Tenfovir-Disoproxil und Emtricitabin. Man nimmt sie einmal täglich ein. Die Pille ist zwar noch nicht in Deutschland zugelassen, und doch erscheint die Einführung der Präexpositionsprophylaxe vielen Menschen als eine Revolution des Sexlebens.
"PrEP wird jeden Tag oder alternativ vor und Tage nach dem Sex eingenommen"
PrEP wird jeden Tag oder alternativ vor und Tage nach dem Sex eingenommen. Auch wenn die Pille bisher nur in wenigen Ländern zugelassen ist, ist die Diskussion über PrEP bereits emotional aufgeladen. Während die einen die Verwendung von Kondomen als die einzige Möglichkeit als einen Schutz gegen HIV ansehen, sehen andere PrEP als echte Alternative zu Kondomen.
Die entscheidende Frage daher ist: Kann PrEP Kondome wirklich ersetzen? Die Antwort auf diese Frage ist klar: Nein, PrEP kann Kondome nicht ersetzen. Die WHO schreibt "[...], dass Menschen, die erhebliches Risiko haben sich mit HIV anzustecken, sollte PrEP als zusätzliche Präventionsmethode angeboten werden. Dies sollte im Rahmen einer umfassenden Prävention geschehen."
Dies bedeutet jedoch nicht, dass PrEP generell andere Präventionsmethoden ersetzen sollte. Stattdessen sollte PrEP denjenigen angeboten werden, die sich durch andere Mittel nicht schützen können, und diejenigen, wo sich gezeigt hat, dass sie sich nur ungenügend vor HIV schützen.
"PrEP ist eine Option für Frauen, deren Partner nicht bereit ist, Kondome zu verwenden"
Anders ausgedrückt, PrEP könnte eine Option für Frauen in Entwicklungsländern sein, die nicht in der Lage sind, Sex von einem infizierten Partner zu verweigern oder deren Partner nicht bereit ist, Kondome zu verwenden. Ebenso Denjenigen, die bereits ein hohes Risikoverhalten eingehen, sich weigern, Kondome zu benutzen oder mehrfach Kondome vergessen haben.
Der Grund, dass PrEP Kondome nicht ersetzen kann ist so logisch wie auch einfach: PrEP verhindert die HIV Infektion, aber eben auch nur die HIV Infektion. Gonorrhoe, Chlamydien oder Syphilis sind Erkrankungen, die sich alle auf dem Vormarsch befinden. Gegen diese bakteriellen Erkrankungen wirkt PrEP nicht - es zeigt keine Wirkung.
In der IPERGAY Studie in Frankreich, die zuletzt die Wirksamkeit von PrEP erneut gezeigt hat, hatte eine schockierende hohe Anzahl von 30 Prozent eine sexuell übertragbare Krankheit. Während diese Infektionen behandelbar sind, können sie aber auch erhebliche Komplikationen wie zerebrale Defizite, Arthritis oder kardiovaskuläre Erkrankungen nach sich ziehen, wenn sie nicht früh genug diagnostiziert werden.
"Es gibt Berichte über HIV-Infektionen mit Truvada-resistenten HIV Stämmen trotz optimaler PrEP"
Ein weiterer wichtiger Punkt ist es daher, dass es vermehrt Berichte gibt, bei denen eine HIV-Infektion stattgefunden hat - trotz optimaler PrEP. Diese Infektionen fanden mit Truvada-resistenten HIV Stämmen statt. Auch wenn dies bisher unwahrscheinlich ist, sollte dies in jedem gesunden Menschen Zweifel wecken, dass PrEP wirklich eine Alternative zu Kondomen ist, wenn eine Gefahr der Ansteckung besteht.
Anders verhält es sich in einer sogenannten sero-diskordanten Partnerschaft. Also in einer Partnerschaft, in der der eine Partner HIV-positiv, der andere Partner HIV-negativ ist. Hier besteht oft der Wunsch, auf Kondome zu verzichten. Studien haben gezeigt, dass HIV-positive Menschen, bei denen
die Viruslast optimal mit Medikamenten unterdrückt wird
, kein Risiko für eine Ansteckung für den Partner bedeuten. In solchen Fällen kann also auf ein Kondom verzichtet werden.
"Eine Rolle spielt der psychologische Faktor - der Partner kann sich sicherer fühlen und die Kontrolle durch die Einnahme der Medikamente selber übernehmen"
In der Tat hat eine Studie kürzlich gezeigt, dass die ART alleine bei serodiskordanten Paaren, die Infektionsrate des HIV-negativen Partners um 96 Prozent senken kann. Leider ist dies nicht 100 Prozent, was am ART Versagen oder kurzfristigen Anstieg der Viruslast bei Infektionen, Erkältungen und Drogengebrauch liegen kann. Hier stellt die PrEP in der Partnerschaft einen zusätzlichen Schutz für den HIV-negativen Partner dar. Hier mag nicht zuletzt auch der psychologische Faktor eine Rolle spielen, dass sich der Partner sicherer fühlt und die Kontrolle durch die Einnahme der Medikamente selber übernimmt.
Obwohl es noch viele weitere Argumente für und gegen PrEP gibt (zum Beispiel auch die möglichen Nebenwirkungen), sagen die Daten und Empfehlungen deutlich, dass PrEP das Kondom nicht ersetzen kann -, aber definitiv eine sinnvolle Ergänzung zu den bisherigen Präventionsmethoden für einige darstellt. Wichtig hierbei sind die anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen zu bedenken, vor allem da Antibiotika-resistente bakterielle Erreger auf dem Vormarsch sind.
Letztendlich ist es das Beste, mit allen Mitteln die HIV Epidemie einzudämmen und in jedem Einzelfall abzuwägen, was die beste Möglichkeit ist.
Info: Institut für HIV-Forschung in Essen
Zur Kontaktbörse PositiveDates kommen Singles hier.
Mehr Gastbeiträge finden Leser auf unserer Homepage ganz unten - zum Beispiel den Bericht von Philip aus Südafrika, der erzählt, wie er in seinem Land mit dem Aids-Stigma lebt.